Kuratiertes Momentum

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Laurence Antiglio, Gründerin von Vestibule, spricht mit Mela Bauer über das Kuratieren aufstrebender Labels und die Vision hinter ihrem Zürcher Concept Store.

An interview with

Im Gespräch mit Mela Bauer gibt Laurence Antiglio, Gründerin des Zürcher Concept Stores Vestibule, spannende Einblicke in die Vision hinter ihrem Store, ihre Leidenschaft für aufstrebende Labels und die Kunst des Kuratierens. Mit einem besonderen Gespür für neue Marken und einem unverwechselbaren Stil bietet Vestibule eine Plattform für Hidden Gems und etablierte Brands. Laurence erzählt, wie persönliche Leidenschaft, ein feines Gespür für den Zeitgeist und die Balance zwischen Beruf und Sport ihren Erfolg prägen – stets mit dem Ziel, ihre Kundinnen zu inspirieren.

Mela Bauer: Hallo Laurence, schön, dich in unserem neuen Paper und Podcast vorzustellen. Du bist mir sofort eingefallen, als wir darüber nachgedacht haben, für welche unserer Kunden Sport eine wichtige Rolle spielt.

LA: Du kennst mich gut! Ja, das stimmt – ich mache wirklich gerne Sport. Seit meiner Kindheit habe ich immer eine Sportart ausgeübt.

MB: Aber lass uns am Anfang beginnen, für diejenigen, die dich noch nicht kennen oder die dich besser kennenlernen möchten. Magst du ein bisschen über dich selbst und die Vision hinter Vestibule, deinem Store, erzählen?

LA: Sehr gerne. Ich heiße Laurence, komme aus der französischen Schweiz und habe Vestibule 2005 gegründet – dieses Jahr feiern wir also unser 20-jähriges Jubiläum. Wir haben zwei Geschäfte in Zürich und einen Onlineshop, der vor allem in der Schweiz aktiv ist. Ein paar Jahre habe ich in Paris gelebt, wo ich Mode studiert habe. Als ich dann in die Schweiz zurückkam, wollte ich Marken und einen Stil etablieren, den ich in Zürich vermisst habe. In Zürich war die Mode weder feminin noch verspielt, und der spezielle Stil der Parisienne, den ich suchte, war nicht so präsent. Vor 20 Jahren konnte man zudem kaum online einkaufen, also habe ich beschlossen, einen Laden zu eröffnen, der diese Parisienne-Atmosphäre nach Zürich bringt. Das war die ursprüngliche Idee: Marken nach Zürich zu holen, die es hier noch nicht gab.

MB: Bei Vestibule hast du nicht nur die großen Namen und First Lines, sondern auch viele aufstrebende und unabhängige Designer. Ist das Teil deiner Strategie?

LA: Ja, definitiv. Ich finde es spannend, neue Marken bekannt zu machen. Ich habe ein gutes Gespür für neue Labels und arbeite oft mit Marken, die später erfolgreich werden. Zum Beispiel hatte ich Golden Goose und Ulla Johnson im Sortiment, als sie noch unbekannt waren. Es ist natürlich nie sicher, wie sich eine Marke entwickelt, aber ich investiere viel Zeit in Recherche und folge meiner Intuition.

MB: Wo recherchierst du und wie gehst du dabei vor?

LA: Früher habe ich viel über die Presse und Magazine recherchiert. Heute nehme ich mir vor allem Zeit, wenn ich reise – insbesondere nach Paris – um neue Labels zu entdecken und zu beobachten, wie sie sich entwickeln. Es ist ein sehr persönlicher Prozess, bei dem ich selbst auf Entdeckungstour gehe. Heutzutage nutze ich auch Instagram, aber Paris bleibt mein Hauptmarkt. Dort habe ich die besten Kontakte, und die Stadt gefällt mir einfach. Wenn ich in andere Länder reise, schaue ich mir außerdem an, welche Multi-Brand-Stores es dort gibt und welche Läden man gesehen haben muss. So entdecke ich immer wieder spannende neue Labels.

MB: Wie schaffst du es, dass auch die „Hidden Gems“ in deinem Portfolio funktionieren?

LA: Mein persönlicher Filter ist entscheidend. Wenn ich eine Marke auswähle, muss sie mir gefallen, und ich muss etwas spüren, das mich anspricht – etwas, das ich selbst tragen möchte. Oft kaufe ich Teile vorab für mich, um zu testen, ob mir die Qualität gefällt. Das ist meine erste Vorselektion. Danach denke ich an meine Kundinnen. Ich habe bestimmte Kundinnen im Kopf und überlege, wer dieses Stück tragen würde. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Relevanz: Passt die Marke zum aktuellen Zeitgeist und ergänzt sie unser Angebot? Es gibt so viele Marken, dass ich theoretisch das ganze Jahr über Showrooms besuchen könnte. Aber nicht alles, was schön ist, passt ins Portfolio. Manchmal spielt auch das Timing eine Rolle. Ein gutes Beispiel ist J.W. Anderson: Ich hatte seine ersten drei Kollektionen im Store, aber damals funktionierte es nicht. Später wurde die Marke bekannt, und ich habe gemerkt, dass ich sie zu früh aufgenommen hatte.

MB: Ist es eine bewusste Entscheidung, dass du nicht mit großen Konglomeraten zusammenarbeitest? Oder ergibt sich das einfach so?

LA: Es ist nicht so, dass ich das kategorisch ablehne, aber ich finde es einfach weniger spannend. Luxus ist heute oft ein Statussymbol. Unsere Kundinnen möchten nicht von Kopf bis Fuß in Louis Vuitton oder Balenciaga gekleidet sein. Sie schätzen den persönlichen Touch, den wir mit unseren Marken bieten. Wir bringen etwas Neues, weniger Sichtbares, das man online nicht überall findet. Das reizt mich mehr als ein Sortiment, das von der Marke vorgegeben wird.

MB: Das passt perfekt zu dir – du bist die Kuratorin, gibst die Richtung vor und ziehst damit genau die Kundinnen an, die diesen Ansatz schätzen.

LA: Genau. Das macht auch den Unterschied. Mein Geschmack ist einzigartig und unterscheidet sich von dem eines anderen Geschäfts, selbst wenn wir ähnliche Marken führen. Wir werden nie das gleiche Bild zeigen, weil unser Stil unterschiedlich ist.

MB: Ich möchte jetzt auf das Thema Sport eingehen, da unser neues Paper unter dem Motto „Momentum“ steht und sich mit Sport, Lifestyle und Wellness beschäftigt. Sportmarken, innovative Materialien und Performance-Technologien gewinnen zunehmend an Bedeutung. Wie siehst du diese Entwicklung, und beziehst du das in dein Portfolio ein?

LA: Natürlich verfolge ich diese Entwicklungen, und ich finde sie spannend. Vor ein paar Jahren hatten wir sogar eine Selektion an Sportbekleidung im Store, als das Thema „Athleisure“ groß war. Mittlerweile ist das jedoch nicht mehr unser Fokus. Wir sind stärker im Bereich Strick-Pullover als bei Sport-Outfits. Technische Aspekte spielen bei uns vor allem bei Outerwear eine Rolle. Zum Beispiel führen wir die Marke G-Lab, die stylische Jacken anbietet, die gleichzeitig funktional sind und Schutz vor Kälte und Regen bieten. Unser Schwerpunkt liegt aber weiterhin auf Stil.

MB: Du hast erwähnt, dass du seit deiner Kindheit Sport treibst. Siehst du Parallelen zwischen deinem Sportengagement und deinem beruflichen Erfolg?

LA: Sport gibt mir eine gute Balance. Früher habe ich viel Basketball gespielt, sogar auf internationalem Niveau. Das hat mich sehr geprägt. Ich bin kompetitiv, aber es geht mir heute nicht mehr ums Gewinnen. Vielmehr hilft mir Sport, mich selbst besser kennenzulernen und in Form zu bleiben. Mittlerweile mache ich einen Mix aus verschiedenen Sportarten und versuche, mehr Sport zu treiben als vor 20 Jahren, als ich mein Business gegründet habe. Damals war der Fokus ganz auf der Arbeit. Jetzt, mit 50, ist es mir wichtig, eine Balance zu finden und den Sport als festen Bestandteil meines Tagesablaufs zu etablieren. Ich mache etwa viermal pro Woche Sport – auch wenn ich manchmal keine Lust habe, fühle ich mich danach immer großartig. Es ist zu einer Routine geworden, die mir Spaß macht. Ich mag keine festen Programme, weil ich sonst schnell das Interesse verliere, also variiere ich ständig. Sport hat mir Disziplin, Selbstvertrauen und das Setzen von Zielen beigebracht – all das hilft mir auch im Job.

MB: Ist das Thema „Longevity“ für dich wichtig? Siehst du es eher als Notwendigkeit oder als Luxus?

LA: Es ist für mich eine Lebenseinstellung. Ich möchte wissen, wie ich mich besser fühlen kann – körperlich und geistig. Ich habe viele neue Dinge ausprobiert, zum Beispiel Meditation, auch wenn ich dafür nicht viel Zeit habe. Es interessiert mich, und ich versuche, es in meinen Alltag zu integrieren. Das Gleiche gilt für Ernährung: Ich esse auch mal ungesund, aber es geht um Balance. Wenn man ein Bewusstsein dafür entwickelt, nimmt man automatisch gesündere Gewohnheiten an, die einem helfen, besser zu leben.

MB: Vielen Dank, liebe Laurence, für das tolle Gespräch!

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Dieser Artikel wurde am Jan 19, 2025 veröffentlicht und ist Teil des Melagence Paper Issue #7