Mela Bauer: Lisa, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns zu sprechen. Für alle, die die Familie Fleiss noch nicht kennen, könntest du uns bitte ein bisschen über euch erzählen?
Lisa Fleiss: Danke dir, Mela, für die Einladung! Ich bin Lisa Fleiss und führe zusammen mit meinem Bruder das Familienunternehmen Sport Fleiss. Wir haben fünf Standorte in Bad Hofgastein und Bad Gastein. Unser Vater gründete Sport Fleiss vor über 30 Jahren, 1988, in diesem Haus, einem ehemaligen Bauernhaus. Mein Vater hatte damals die Idee, den Bauernhof in einen Skiverleih umzuwandeln. Gemeinsam mit seinem Bruder begann er hier im Haus, Ski zu schleifen – erst saisonal für drei, vier Monate. Etwa ein bis zwei Jahre nach der Gründung baute mein Vater die erste Hütte für den Skiverleih. Kurz darauf folgte der erste Shop – eine spannende Entwicklung! Mein Vater war selbst ein leidenschaftlicher Skifahrer und nahm an vielen Rennen teil, genau wie mein Bruder und ich.
MB: Das passt ja perfekt, gerade weil ihr in euren Läden viel Bergsport anbietet.
LF: Absolut! Skifahren ist zentral für uns und unsere Region. Mein Bruder, mein Vater und ich haben in der Kindheit Wettkampfsport betrieben – Skifahren, Laufen und mehr. Meine Mutter war mehr im Lifestyle-Bereich aktiv, was sich auch in unserem Kundenstamm widerspiegelt. Manche denken, dass bei uns nur Profisportler einkaufen, aber das stimmt nicht. Natürlich bedienen wir auch diese, aber unser Fokus liegt auf dem Lifestyle-Sportler. Sport ist für uns ein Lebensstil – und das merken auch unsere Kunden, egal ob Einheimische oder Touristen.
MB: Wie bist du eigentlich in das Familienunternehmen eingestiegen?
LF: Das war ein besonderer Moment in meinem Leben. Vor vier Jahren wurde meine Mutter plötzlich krank, und ich entschied mich, kurzfristig ihre Aufgaben zu übernehmen. Zunächst war es ein Notfallplan, den ich für ein Jahr ausprobieren wollte. Dann merkte ich, dass mir die Arbeit Spaß macht, und habe mich entschieden, zu bleiben. Ursprünglich komme ich aus einem ganz anderen Bereich. Doch mit dem Schicksalsschlag, als meine Mutter krank wurde, hat sich alles verändert. Seitdem bringe ich meine eigene Handschrift ins Familienunternehmen ein.
MB: Der Trend, dass Sportswear und Performance zunehmend in Mode integriert werden, ist ja immer stärker zu spüren. Wie wirkt sich das auf euer Sortiment aus?
LF: Es hat definitiv Einfluss. Wir beobachten die Entwicklungen, vor allem im Fast-Fashion-Bereich, wie bei Zara oder H&M, die auch technische Sportkleidung anbieten. Aber das ist nicht unser Zielkundenkreis. Mode ist bei uns vor allem in der Skimode wichtig. Besonders bei der Damen-Skimode hat sich viel verändert – früher war es fast Pflicht, sportlich-schlichte Outfits zu tragen, aber heute können auch gute Skifahrerinnen modisch auf die Piste gehen. Diese Balance aus Funktion und Stil bieten wir unseren Kunden.
MB: Spannend, wie der Sportbereich solche Innovationen in die Mode bringt. Glaubst du, dass Sportbrands in Design schneller sind als Modebrands, die erstmal Funktion integrieren müssen?
LF: Eine interessante Frage. In Japan sieht man das besonders. Dort ist es wichtig, den ganzen Tag in Bewegung zu bleiben, und die Kombination von Funktionalität und Mode ist unglaublich inspirierend. Wir bedienen nicht nur Sportler, sondern alle, die aktiv sind – wie eine Mutter, die täglich mit dem Hund spazieren geht. Es geht darum, für diese vielfältigen Bedürfnisse die richtigen Produkte anzubieten.
MB: Du warst selbst in der Kindheit im Wettkampfbereich Skifahrerin. Glaubst du, das hat Einfluss auf deinen Führungsstil?
LF: Ja, vor allem Resilienz. Im Leistungssport lernt man, mit unerwarteten Situationen umzugehen – sei es schlechtes Wetter oder Krisen wie Corona. Diese Flexibilität hilft mir auch im Business, schnell umzudenken.
MB: Würdest du deinen Kindern Leistungssport empfehlen?
LF: Mein Bruder würde es eher pushen, ich lasse es offen. Wenn Interesse besteht, gerne. Sport sollte Spaß machen, und solange das der Fall ist, finde ich es sinnvoll. Ich habe meine Liebe zum Sport auch erst später wiederentdeckt.
MB: Motiviert der Standort auch zum Sport?
LF: Auf jeden Fall! Die Region bietet viele Möglichkeiten: Biken, Klettern, Wandern im Sommer, Skifahren und Skitouren im Winter.
MB: Machst du selbst diese Aktivitäten?
LF: Ja, vor allem Skifahren und Skitouren im Winter, auch Langlauf hin und wieder. Im Sommer Bergtouren und ab und zu Biken. Es kommt darauf an, was der Freundeskreis macht und wie es in den Alltag passt.
MB: Unser Thema für das Paper ist „Momentum“. Es geht um Sport, Lifestyle und Longevity, aber wir fanden „Momentum“ als Begriff passend, um das alles zu vereinen. Wie definierst du Momentum und was bedeutet es für dich?
LF: Für mich bedeutet Momentum, sich im Sport und im Handel an wechselnde Bedingungen anzupassen. Besonders im stationären Handel hat sich vieles verändert, und in der Sportmode fließt der Modetrend stark ein. Es geht auch darum, die Werte eines Familienbetriebs zu bewahren und die Persönlichkeit der Familie einzubringen. Authentizität und das Erlebnis stehen heute mehr denn je im Fokus.
MB: Gerade bei Sportmarken ist es doch ein großes Thema. Fehlt das Authentische, wird es in der Community schnell verpönt. Es reicht nicht, nur Performance zu bieten; man muss auch authentisch leben und klare Werte vermitteln – für den Händler und die Marke.
LF: Genau, klare Werte sind entscheidend für Momentum. Mein Bruder und ich haben letztes Jahr die Werte unseres Unternehmens im Rahmen der Übergabe neu definiert. Unser Ziel ist Mut – wir kommen aus dem Sportbereich, sind aber mittlerweile Lifestyle-Sportler geworden. Wir vertrauen auf unsere Wurzeln und gehen unseren eigenen Weg. Es macht mir großen Spaß, meine Persönlichkeit in den Store-Elementen zu sehen, und wenn Kunden das auch so wahrnehmen, ist das ein tolles Kompliment.
MB: Wie wählst du deine Marken aus?
LF: Ich habe es von meiner Mutter gelernt, die mich schon als Baby zu Messen und Showrooms mitgenommen hat. Seitdem nutze ich auch Social Media, mein Netzwerk und gehe aktiv auf Marken zu, was sie weniger gemacht hat.
MB: Gehst du immer noch zu Messen und Showrooms?
LF: Messen sind seltener geworden, aber Showrooms sind besonders im Sportbereich wichtig. Man muss die Kollektionen vorher gesehen und getestet haben. Gerade bei teuren Funktionsjacken ab 400 Euro muss man sie einfach ausprobiert haben. Viel passiert durch Zufall – man muss gut vernetzt sein und beobachten, was im sportlichen Modebereich passiert. Ich bleibe dran und probiere auch neue Marken aus. Es ist ein bisschen Pokern, manchmal testet man Marken, die anders sind als die bisherigen.
MB: Was ist dein Tipp für Familienunternehmen, besonders mit mehreren Generationen?
LF: Gute Kommunikation ist entscheidend. Ich hatte das Glück, dass mein Bruder mich unbedingt im Unternehmen haben wollte. Wir ergänzen uns gut, weil wir charakterlich unterschiedlich sind. Wichtig ist auch, klare Rollen zu definieren und flexibel zu bleiben, wenn etwas nicht wie geplant läuft. Konflikte haben wir anfangs direkt ausgetragen, aber mittlerweile kommunizieren wir offen. Ein Tipp: Keine Groll hegen, gut kommunizieren und respektvoll miteinander umgehen. Der Rat meines Vaters ist wertvoll – auch wenn man nicht immer alles umsetzt. Respekt ist entscheidend.
Max Steinbauer and Jenny Haimerl