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Barbara Markert explores the potential of the growing bond between sport and fashion.

An interview with

Die Segmente Sport und Mode wachsen seit Jahrzehnten immer mehr zusammen. Aber in der Kombi steckt noch weiteres Potential. Wo trainiert wird, wer punktet und wo das Spiel hingeht, analysiert Mode-Expertin Barbara Markert

Der Pariser Luxuskonzern LVMH kauft zusammen mit Red Bull einen Fußballclub, der dem Starverein Paris Saint-Germain (PSG) Konkurrenz machen soll. Die Florentiner Menswear-Leitmesse Pitti Uomo installiert zum ersten Mal in der über 50-jährigen Geschichte eine Sportabteilung auf dem ansonsten für die männliche Eleganz gerühmten Event. Die Münchener ISPO, einer der größten Sportmessen der Welt, geht den umgekehrten Weg und lädt das Streetwear-Kultmedium Highsnobiety und die Copenhagen International Fashion Fair zu sich ein. Fast Fashion-Gigant Zara baut derweil seine Skikollektion stark aus und bietet ab sofort auch Helme und Skibrillen an. Und der Fachmedien-Dienst Business of Fashion betitelt eine seiner aktuellen Features mit der Überschrift „Wie aus Marathons Fashionshows werden“. 

Die Beispiele zeigen, dass die Segmente Sport und Mode derzeit so eng kooperieren wie noch nie. Wie kommt’s? Warum gerade jetzt? Und ist das neu?

Ein Blick in die Mode-Historie genügt, um zu sehen, dass Sport und Fashion schon immer gerne miteinander Händchen hielten. Coco Chanel eröffnete bereits 1913 eine Sportabteilung in ihrem Stammhaus in Deauville. Auch Jean Patou und Jeanne Lanvin entwarfen eigene Sport Kollektionen. Sie alle nutzten Jersey, ein Material, das vorher dem Rugby vorbehalten war. In den Jahrzehnten danach verwoben sich die beiden Segmente immer mehr: Elasthan, ein elastischer Faden, der seine Karriere zum Beispiel in Jane Fondas Aerobic Outfits begann, wird heute fast schon standardmäßig in Jeans und Hemden verarbeitet. Über den Siegeszug des Polyesters, einem Material der Sportswear, und seine (durchaus problematische) Übermachtstellung in der heutigen Alltags-Kleidung braucht man erst gar nicht reden. Wir alle tragen heute Sneakers, nicht unbedingt zum Sport, sondern weil sie bequem sind und gut aussehen. Das Gleiche gilt für Jogpants, einem Hybrid zwischen Stoffhose und Jogging Hose mit bequemem Gummibund am Taillenbund. Und seit der Pandemie ist es sogar völlig normal, in Yoga-Outfits oder Trainingshosen auf die Straße zu gehen. Dieser Look hat inzwischen sogar seine eigene Segment-Bezeichnung: Athleisure-Wear.

Es ist also schon ziemlich viel zusammengewachsen. Dennoch scheint in der Sport-Fashion-Kombination seit einiger Zeit neuer Schwung gekommen zu sein – vor allem im Luxusbereich. Nachdem Karl Lagerfeld 2014 mit seiner Prêt-à-Porter-Kollektion, präsentiert in der Kulisse eines Chanel-Supermarkts, den Weg für Sneakers und Joggings im Luxus ebnete, erhob Virgil Abloh als Kreativdirektor für Off-White und Louis Vuitton Sport-Kooperationen zu echten Kult Events. Sneaker-Exemplare seiner Zusammenarbeit mit Nike kommen heute bei Auktionen für 100.000 Euro das Paar unter den Hammer. Auch die Zusammenarbeit zwischen Ex-Gucci-Designer Alessandro Michele und Adidas für den Herbst/Winter 2022 gilt als Meilenstein der Fashion-Historie und erzeugte begehrte Sammlerstücke.

Doch damit nicht genug: Ganz aktuell arbeitet Balenciaga mit Manchester United zusammen, Barbara Bui entwirft eine Kollektion für die Frauenmannschaft von PSG, Dior stattet die Herren des gleichen Fußballclubs aus, Gucci kümmert sich um Juventus Turin, Prada stattete zum FIFA-Worldcup die chinesische Damen-Fußballmannschaft aus und – wie eingangs erwähnt – kauft LVMH gleich einen ganzen Club auf. Auffällig ist, dass sich alle diese Kooperationen um den Massensport Fußball ranken, einem Mega-Business mit einem geschätzten Jahresumsatz von 25 Milliarden US-Dollar. 

Hat die Luxusindustrie in Zeiten stagnierender Absatzzahlen und sinkender Gewinne es wirklich nötig, sich mit genau diesem Sport zu verbinden, um den sie früher einen großen Bogen machte? Fußball galt lange Zeit für dieses Genre der Modebranche als nicht schick genug. Reiten, Segeln, Golf und Ski – das waren die üblichen Spielwiesen des High-End-Segments, nun aber wendet sich der Luxus also dem gemeinen Volk zu. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Experten sehen darin eine klar kalkulierte Strategie. Matt Powell, Berater bei der amerikanischen Einzelhandels-Consulting-Firma Spurwink River, meint: „Dieser Sport erhält sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien und seitens der Verbraucher. Dieses Interesse versuchen Marken zu nutzen, um ihre Brand breiter bekannt zu machen.“ Ziel ist also, die Zielgruppe zu erweitern, unter anderem bei der begehrten jungen Generation GenZ. Eric Biones, Geschäftsführer des französischen „Journal du Luxe“, wird noch detaillierter in seiner Analyse: „Diese Sportveranstaltungen sind real stattfindende Events. Sie locken die Fans von den Bildschirmen fort, brechen also mit dem digitalen Leben, das mehr und mehr in der Kritik steht. Vor allem aber sind sie eine kulturelle Bewegung. Teil einer solchen Bewegung zu sein, zahlt sich aus: Die damit verknüpften Produkte erhalten einen Zusatznutzen und werden aufgewertet. Außerdem können ganz andere Botschafter gewonnen werden.“ 

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere Fußball-Stars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Neymar Jr. oder Kylian Mbappé vereinen Millionen von Fans und Followern. Zudem gelten sie als Stil Ikonen, die von Kopf bis Fuß in Luxuskleidern stecken und sich daher perfekt als authentische Botschafter für Gucci, Prada und Konsorten eignen. Dass sich LVMH als Hauptsponsor der Olympischen Spiele in Paris engagierte, ist in diesem Zusammenhang als besonders schlauer Coup zu werten: Neben Millionen-Investitionen lieferte LVMH Outfits, Medaillen und die dazugehörigen Schatullen. Die Mode- und Schmuck Häuser des Konzerns wie Dior, Berlutti, Chaumet etcetera waren nicht nur omnipräsent, sondern auch in einer Pole-Position, um sich die besten Sportler exklusiv als Role Models zu sichern. So verpflichtete Louis Vuitton noch während der Paris 2024 Spiele den vierfachen Schwimm-Olympiasieger Leon Marchand, als neuen Sympathie-bringenden Botschafter.

Der unerwartete Erfolg der vergangenen Olympischen Spiele hat ganz generell neue Weichen gestellt: Galten die Spiele davor als verstaubt und uninteressant, haben es die Franzosen geschafft, diesem Megaevent neues Leben und Coolness einzuhauchen. Davon wird die gesamte Sportbranche in den kommenden Jahren noch profitieren. Dass gerade die spektakulärsten Wettbewerbe nicht unbedingt die waren, die sonst immer über die Bildschirme flimmern, bringt frische Impulse: Triathlon, Fechten, Schwimmen oder Hochsprung könnten ein Revival als Kult Sportarten erleben. Der Style der südkoreanischen Olympionikin Kim Yeji im Luftgewehrschießen sorgte bereits während der Spiele für Aufregung und wird in den kommenden Saisons sicherlich noch die eine oder andere Modekollektionen beeinflussen. Es bleibt also spannend.

Spannend ist auch, was gerade beim anderen Volkssport, dem Joggen, passiert. Aus dem sonntäglichen Laufen ist ein Hype geworden, der sich nun neudeutsch „Running“ nennt. Auch hier hat die Pandemie einen großen Anteil am Erfolg. In vielen Ländern erlaubten die Ausgeh-Restriktionen nur noch Joggen als sportliche Betätigung. Als Folge wuchs die Zahl der aktiven Läufer sprunghaft an. Schon während des Lockdowns verabredeten sich viele zum gemeinsamen Rennen – der sozialen Kontakte wegen. Heute gibt es in fast allen großen Städten sogenannte Running-Clubs. Die Fachzeitschrift TextilWirtschaft widmete dieser Bewegung jüngst sogar eine eigene Titelseite. 

Marathons als Endziel jedes Hobbyläufers erleben gerade deshalb einen Zulauf wie nie zuvor. Das Spektakel um die Lauf-Events wird immer größer, vor allem in New York ist der Marathon zu einer Mega-Show angewachsen mit Flagship-Eröffnungen, Pop-Ups für die Präsentationen neuer Collabs, Shop-Events und exklusiven Lancierungen limitierter Serien. Taylor Willson, Berater und Journalist, erklärte dem Branchendienst Business of Fashion: „Der echte Marathon ist inzwischen der unwichtigste Teil der Veranstaltung. Das Event zieht Influencer an und stylische Kids in teuren Sportklamotten, die mehrere hundert Dollar kosten. Die meisten hegen aber keinerlei Absicht, darin Sport zu treiben oder wirklich zu rennen.“ Laura Baker, Geschäftsführerin und Mitbegründerin des Konzeptstores ESSX in New York bestätigt, aber korrigiert auch: „Diese Mode-Kinds befeuern den Trend. Sie sind nahezu besessen von Fitness, Run-Clubs, aber vor allem von ihren Klamotten.“ Einig sind sich die beiden Experten, dass ein unvorbereitetes Mitmischen bei diesem Phänomen nicht ohne Risiken ist: „Marken ohne echte Authentizität, die meinen, einfach auf den Hype aufspringen zu sollen, laufen Gefahr boykottiert zu werden.“

Auch das ist keineswegs neu. Schon viele haben probiert, im Sport Fuß zu fassen, einige davon ohne Erfolg. Wir erinnern uns an Skis und Snowboards von Chanel, es gibt auch Hanteln von Hermès oder einen Basketball von Prada. Doch nimmt man diese Sportartikel wirklich ernst? Authentik ist im Sport sehr wichtig. Die eingangs erwähnte Ski-Kollektion von Zara wird ihre Abnehmer finden. Ohne Frage! Aber wird sie auch von echten Ski-Fanatikern gekauft? Das ist zu bezweifeln.

Gerade das Ski-Business hat sich seit ein paar Jahren modisch komplett neu aufgestellt: Marken wie Perfect Moment, Goldbergh, J. Lindeberg oder Nikkie haben die traditionelle Skimode, die seit Jahrzehnten gleich aussah, einen neuen, modischen Anstrich gegeben. Und das war dringend nötig! Influencer, wie Chiara Ferragni oder Vicky Rader machen jeden Winter in diesen Looks eine perfekte Figur –  vor allem im Après-Ski, wo diese stylischen Outfits wohl auch eher hingehören. Dass nun Fast Fashion in die Skimode einsteigt, ist vor allem für diese Marken ein Problem. Hier könnten sich in Zukunft Marktanteile verschieben in Richtung Billiganbieter. Echte Ski-Bekleidungshersteller wie VAUDE, Kjus, Ziener, Salomon, Rossignol und Peak Performance werden dagegen weiter ihre treuen Kunden finden. Sie alle punkten mit Historie, Technik und Vertrauen. Aber sie müssen aufpassen. Denn einige der alten Konkurrenten haben sich bereits stilistisch neu aufgestellt: Bogner, Sportalm, Moncler, aber vor allem Fusalp und die auf den Markt zurückgekehrte Marke Elho Freestyle verbinden Technik, neueste Innovationen im Stoff mit top modischem Aussehen. 

Genau dieser Mix hat meiner Meinung das Zeug zu einer echten Win-Win-Situation. Wer es schafft, in den entscheidenden Disziplinen, also Authentik, Performance und Style, zu punkten, steigert die Erfolgsaussichten. Das gilt nicht nur für die Skibekleidung, sondern für alle Sportarten. Für alle anderen sei als Trost erwähnt: Stylische Après-Ski-Glühwein-Trinker, Fußballer, die in ihrer Freizeit dem Luxus frönen, und Kids, die zwar nicht joggen, aber dennoch coole Sneaker tragen, sind auch eine interessante Zielgruppe.

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Barbara Markert, eine in Paris lebende Journalistin mit jahrzehntelanger Erfahrung, gründete Modepilot 2007 und eröffnete später neben ihrem Schreiben LaSuite.
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Dieser Artikel wurde am Jan 19, 2025 veröffentlicht und ist Teil des Melagence Paper Issue #7